„Weniger ist mehr“ – Warum sanfter Winterurlaub den Weg in die Zukunft weist

Im Interview erklärt Bergwanderführerin und Waldbaden-Trainerin Lisa Flatscher aus dem Pillerseetal, warum sanfter Winterurlaub mehr ist als nur ein...

Tourismus
02.10.2025 | Pillerseetal – Kitzbüheler Alpen

„Weniger ist mehr“ – Warum sanfter Winterurlaub den Weg in die Zukunft weist

Im Gespräch mit Waldbaden-Trainerin Lisa Flatscher

Die Nachfrage nach achtsamen Wintererlebnissen abseits der Pisten steigt – das belegen Zahlen. Im Interview erklärt Bergwanderführerin und Waldbaden-Trainerin Lisa Flatscher aus dem Pillerseetal, warum sanfter Winterurlaub mehr ist als nur ein Trend.

Entschleunigung, schneearme Winter und die Sehnsucht nach Authentizität machen den sanften Winterurlaub zur zukunftsweisenden Alternative. Das belegt auch der aktuelle TUI Reisetrend-Check 2026: 34,9 Prozent der Befragten stufen Landschaft und Natur als besonders wichtig bei der Wahl des Reiseziels ein. Fast 60 Prozent verzichten für authentische Naturerlebnisse auf gewohnte Annehmlichkeiten.

Lisa Flatscher, staatlich geprüfte Berg-Wanderführerin und Waldbaden-Trainerin aus dem Pillerseetal, lebt diese Philosophie täglich. Im Gespräch erklärt die Expertin die Bedeutung des sanften Winterurlaubs und warum die Wiederentdeckung der Langsamkeit Antwort auf gesellschaftliche und klimatische Herausforderungen bietet.

Einfach mal durchatmen: Die Winterlandschaft Fieberbrunn entschleunigt genießen. © Helmut Lackner

Lisa, was bedeutet für Dich persönlich sanfter Winterurlaub?

Draußen sein. Sich selbst spüren. Mit jedem Schritt mehr bei sich ankommen. Es geht nicht um Geschwindigkeit oder Action, sondern um ein ganzheitliches Erlebnis. Darum, mit allen Sinnen unterwegs zu sein, mit den Geräuschen, der Luft, dem Licht.

Ist sanfter Tourismus eine Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen? 

Absolut. In unserer Zeit lassen wir vieles für uns machen. Wir geben Verantwortung ab, wir lassen uns bewegen – von Maschinen oder einem Coach. Beim Wandern ist es das Gegenteil. Jeder Schritt muss selbst gemacht werden. Man lernt sich wieder besser kennen. Man hat es selbst in die Hand genommen. Man hat für sich selbst etwas Gutes getan. Das wertschätzen die Leute sehr.

Selbstbestimmt über die idyllischen Wanderwege des Pillersee Tals spazieren. © Stefan Ringler

Braucht es also einen Wertewandel im Tourismus?

Für mich gehört alles dazu, auch der Germknödel und Remmidemmi. Aber es ist gut, wenn wir das Thema ganzheitliches Wandern – egal ob im Sommer oder im Winter – mehr vor den Vorhang holen. Man soll nicht werten, was besser oder schlechter ist, aber wir dürfen heute, vor allem im Winter, auch andere Sachen anbieten als nur das Skifahren.

Kann sanfter Winterurlaub auch wirtschaftlich funktionieren?

Auf jeden Fall. Ich sehe darin großes Potenzial. Sanfter Wintertourismus ist unabhängig von perfekten Schneebedingungen. Wandern geht immer, mit oder ohne Schnee. Die Menschen suchen immer öfter Ruhe und Echtheit. Weniger Spektakel und mehr hier und jetzt. Aber wir brauchen Mut, diesen Weg konsequenter zu gehen. Nicht als Marketing, sondern als ernsthaftes Angebot.

Was meinst du mit „Mut“?

Wir müssen das Leise betonen. Sanfter Winter ist kein Ersatzprogramm zum Skifahren, er ist ein eigenes Angebot mit eigener Qualität. Viele haben noch keine Vorstellung davon. Wir dürfen keine Angst haben, dass es zu wenig ist. Es ist vielleicht genau das, was gebraucht wird.

Warum ist das Pillerseetal ideal dafür?

Es sind die Vielfalt und Zugänglichkeit. Das Tal ist offen und weit und nicht so steil und eng wie andere. Dadurch haben wir ein breites Angebot, für jedes Niveau. Von Winterwanderwegen bis zu Schneeschuhtouren. Die Orte sind per Regiobus verbunden. Man kann von Ort zu Ort wandern, ohne Auto. So lernt man die Region anders kennen.

Schnee ist nicht nur für Ski gemacht: Mit Schneeschuhen die Berge erkunden. © Stefan Ringler

Welche Aktivitäten passen zum sanften Winterurlaub?

Alles dreht sich ums langsame Naturerleben. Winterwandern auf Wohlfühlniveau, ohne Leistungsdruck. Schneeschuhtouren abseits präparierter Wege, über Felder, durch Wälder, zu Almen. Und natürlich Langlaufen.

Tempo runter: Mit sanfter Geschwindigkeit Langlaufen. © Mirja Geh 

Wie merkst du, dass deine Gäste bei sich ankommen?

Oft kommen die Leute mit einer riesigen Wunschliste. In der ersten Viertelstunde steigen sie mir hinten auf die Schneeschuhe drauf, ich bin zu langsam. Sie brauchen Zeit, um runterzukommen. Aber dann spüren sie: Es geht um Bewegung aus eigener Kraft. Schritt für Schritt weniger als mehr wahrnehmen. Wer dieses Gefühl kennenlernt, empfindet es als wohltuend, nichts leisten zu müssen.

Und wenn mal kein Schnee liegt?

Kein Problem. Sanfter Winterurlaub lebt vom Draußensein. Wandern geht immer. Bei Schneemangel nutzen wir die Sommerwanderwege. Ich kombiniere das mit kleinen Achtsamkeitsübungen oder einem Cafébesuch. Alternativ machen wir bewusst eine Waldwanderung mit Waldbade-Elementen.

Der Natur ganz nah: Waldbaden an schneefreien Tagen © Marion Pichler / Daniel Gollner

Was wünschst du dir für den Wintertourismus?

Dass wir aufhören, nur perfekte Bilder anzubieten. Niemand braucht ständig glitzernde, spurenfreie Almen aus Prospekten. Glück bringen nicht Inszenierungen, sondern echte, kleine Erlebnisse. Wenn du nach der Wanderung frierst und dann in die warme Stube kommst. Wenn wir die Latte, was uns Glück bedeuten soll, selbst niedriger legen und diese kleinen Sachen mehr betonen, die in Fülle da sind, dann ist es gut.

INFOBOX:

Sanfter Winter im Pillerseetal

Als einheimische Expertin kennt Lisa Flatscher die schönsten Plätze im Pillerseetal und gibt gerne persönliche Tipps für unvergessliche Wintererlebnisse weiter.

Winterwanderwege (insgesamt 100 km Netz)

  • Pillersee-Rundwanderung: Leichte Familienwanderung um den See (Lisa-Tipp: Im Winter bei Neuschnee besonders romantisch)
  • Wanderung zum Gasthof Oberweißbach: Herrliche Aussicht auf die Loferer und Leoganger Steinberge. (Lisa Tipp: Highlight ist eine anschließende Rodelpartie ins Tal.)

Schneeschuhtouren-Empfehlungen

  • Geführte Schneeschuhwanderungen mit einheimischen Guides zu den schönsten Naturplätzen im Pillerseetal (Lisa-Tipp: nachts im Fackelschein durch den verschneiten Wald)
  • Anspruchsvolle Gipfeltour auf die Steinplatte (Lisa-Tipp: Bei klarer Sicht Blick bis zum Watzmann)

Langlaufzentren

Das Loipennetz in Fieberbrunn, Hochfilzen, St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee und Waidring bietet über 100 Loipen-Kilometer in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden an.

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