Bergmenschen. Und wie sie die Alpen bereichern.

Fünf Persönlichkeiten, die mit ihrem Engagement und ihrem Sinn für Lokalität die Bergwelt von heute bereichern.

Bergmenschen.
Und wie sie die Alpen bereichern.

Die Alpen sind das am besten erschlossene Hochgebirge der Welt. Und gelten auch deshalb als absolutes Sehnsuchtsziel für Reisende aus aller Welt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: atemberaubende Natur, Erholung mit jedem Atemzug und das beste Fitnessstudio unter freiem Himmel. Komplettiert wird die Anziehungskraft der Alpen durch das einzigartige Landschaftsbild mit bergbäuerlicher Landwirtschaft, bewirtschafteten Nieder- und Hochalmen sowie der traditionellen alpinen Kulinarik. Noch heute sind diese Kulturlandschaften Zeugen von harter Arbeit, Anpassungsfähigkeit und Erfindergeist. Im Folgenden stellen wir fünf Persönlichkeiten vor, die mit ihrem Engagement und ihrem Sinn für Lokalität die Bergwelt von heute bereichern. Sie tragen zum Erhalt der Kulturlandschaften bei, konservieren altes Wissen und überführen es mit stetigen Innovationen in die Moderne.  

Die Fisser Bauern: Karl und Herbert Röck aus Serfaus-Fiss-Ladis

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Die Fisser Imperial Gerste gehört zu den ältesten kultivierten Getreidesorten der Welt © SFL Marketing GmbH

In kaum einer Getreidesorte steckt so viel Tradition wie in der Fisser Imperial Gerste. Erstmals angebaut in der Zwischenkriegszeit vom Fisser Bauern Karl Röck ist sie eine Weiterentwicklung der Imperial Gerste und eine der ältesten kultivierten Getreidesorten der Welt, die bereits von Römern und Ägyptern angebaut wurde. Die Sorte wäre in der Zwischenzeit beinahe in Vergessenheit geraten, wenn nicht Karls Sohn Herbert 2013 den Anbau wieder aufgenommen hätte. Seitdem entwickelte sich das Getreide zur echten lokalen Spezialität. Aus der Gerste, die erst ab 1.500 Metern Höhe so richtig wächst, werden unter anderem regionale Gerichte wie die Fisser Gerstensuppe, Gerstenrisotto oder Fisser Popcorn zubereitet. Und auch in flüssiger Form ist die Pflanze zu genießen: Die Biersorten mit den klingenden Namen „Tyroler Imperial Zwickl“ und „Birli“ oder der prämierte Tiroler Single Malt Whisky „Fissky Imperial“ von Meisterbrenner Gerhard Maass bringen die Gerste ins Glas.

Der Fisch Farmer: Michael Wesonig aus der Hochsteiermark

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Ein Bio-Gebirgssaibling aus Michael Wesonigs Firschfarm © Michis frische Fische

In der Steiermark wird Qualität großgeschrieben, vor allem auf dem Land. So sieht das auch Michael Wesonig. Für den Steirer ist der achtsame Umgang mit Mensch, Tier und Natur eine Selbstverständlichkeit und deswegen hat er auch hohe Ansprüche an seine eigene Fischzucht: Die Saiblinge genießen nur reinstes Quellwasser und Bio-Futter. Wegen der Problematik um den Meeresfisch entstand sein neuestes Projekt Urban Fish Farming. Dabei züchtet er nachhaltig und umweltfreundlich, ohne Chemie, seine eigenen Meeresfische im Herzen der Alpen. So wandern Michis frische Bio-Fische aus dem Naturpark Mürzer Oberland direkt vom Quellwasser und aus dem Salzwasserbecken auf den Tisch.

Der Getreidevisionär: Benedet Raisoni in Livigno

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Benedets Roggen wird weiter verarbeitet zu frischem Brot und Keksen. © Fabio Borga

Nach über hundert Jahren wächst in Livigno auf 1.816 Metern Höhe wieder Roggen. Hierfür verantwortlich ist Getreidevisionär Benedet Raisoni. Dieser hatte es sich bereits vor sechs Jahrzehnten zur Lebensaufgabe gemacht, den Roggenanbau im Federiatal wieder aufzunehmen. Dazu suchte er auf der ganzen Welt nach dem perfekten Roggensamen, der auch bei den extremen klimatischen Verhältnissen in Livigno gedeiht. Fündig wurde er schließlich in Bozen. Seit ein paar Jahren wächst so nun wieder Roggen in Raisonis Heimat, den die lokalen Bäcker zu Brot und Keksen verarbeiten. Damit ist die Mission des Italieners allerdings noch nicht vollendet: Die nächste Herausforderung heißt Weizen, der bisher noch importiert werden muss.

Der Enzian(an)bauer: Herrmann Lorenz in Galtür

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Hermann Lorenz auf seinem gelben Enzianfeld © Barbara Schmidt

Seit den 1960er-Jahren ist der gelbe Enzian geschützt. In Galtür dürfen deshalb jedes Jahr nur 13 ausgeloste Familien jeweils 100 Kilogramm Wurzel im Gebirge ausgraben und für den Eigenbedarf zu Schnaps brennen. Aus diesem Grund gab es den berühmten, aus der Heilpflanze gebrannten „Galtürer Enzner“ bisher auch nicht zu kaufen. Bis der Galtürer Schnapsbrenner Hermann Lorenz 2017 zusammen mit der Landwirtschaftskammer Tirol und der Münchner Agrarbiologin Centa Kirsch das Projekt Galtürer Enzian startete. Angefangen mit 12.000 kultivierten Enzianpflanzen blüht der Enzian mittlerweile auf über 5.000 Quadratmetern im Tal. 2021 wurden die Wurzeln der größten Enzian-Kultur im alpinen Raum zum ersten Mal geerntet und anschließend gebrannt. Jetzt gibt es ihn endlich zu kaufen, den echten Galtürer Enzner. Wenn auch nur in kleinen Mengen. Dazu kommen Enzian-Hautpflegeprodukte wie Seife und Bodylotion.

Die Knödelkönigin: Nadine Kirchmair in der Tiroler Zugspitz Arena

Nadine Kirchmair produziert in ihrer Knödel-Manufaktur Knedlerei handgedrehte Knödel in allen Variationen. © Tiroler Zugspitz Arena

Nach dem Besuch der Tourismusfachschule, einer Koch-Lehre, dem Patisserie-Diplom und diversen Stationen in Hotelküchen stach Nadine Kirchmair 2019 zunächst als Köchin auf dem Kreuzfahrtschiff AIDA in See. Durch die Pandemie nachhause gezwungen, rief sie 2020 in ihrem Heimatort Berwang, in einem sonnigen Hochtal der Tiroler Zugspitz Arena gelegen, ihre Knödel-Manufaktur Knedlerei ins Leben. Stolze 18 verschiedene Knödelvarianten fertigt sie in ihrer kleinen Küche von Hand an. Da das Produkt so vielfältig ist, reicht ihr Sortiment von deftigen Klassikern wie Kaspress- und Speckknödeln, süßen Marillen-, Nougat- oder Apfelstrudelknödeln bis hin zu besonderen Kreationen wie dem Leberknödel mit frischer Rinderleber. Auch vegane Knödel sind schon Teil des Sortiments. Ihre Knödel sind hochbegehrt. Bis zu 1.300 Knödel pro Tag dreht sie in der Hauptsaison und beliefert Restaurants, Hütten sowie private Knödelliebhaber.

Der Käsesommelier: Franz Möstl aus der Oststeiermark

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Käse so weit das Auge reicht im Almenland Stollenkäse © Steiermark Tourismus

Eigentlich sollte der ehemalige Silberbergwerksstollen in Arzberg als Heilstollen adaptiert werden. Als der Gedanke aufkam, den Stollen außer für Touristenführungen auch anderweitig zu nutzen, hatte Franz Möstl im Jahr 2006 die Idee, im Bergwerk Käse reifen zu lassen. Noch im selben Jahr begann er in einem stillgelegten Seitenarm mit dem Testreifen, 2008 gründete er dann seine Firma Almenland Stollenkäse GmbH. Nun lagern die Käselaibe 100 Meter tief im Bergstollen, eingebettet in millionenaltem Gestein, bei einer konstanten Temperatur von 10 Grad Celsius. So entstehen unterschiedliche Hart-, Schnitt- und Weichkäsesorten wie Stollen Montanaro oder Arzberger Bellino, von denen jede ihre eigene Charakteristik hat und für ein unverwechselbares Geschmackserlebnis sorgt.

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