Auf den Spuren fast vergessener Berufe
Wer wissen möchte, wie der Berufsalltag im Schwarzwald vor mehreren hundert Jahren ausgesehen hat, der ist in Baiersbronn richtig....
Diese traditionellen Handwerke kann man im Schwarzwald noch erleben
Tagelang am brennenden Kohlenmeiler ausharren, Baumstämme über hunderte von Kilometern schwimmend auf Flüssen transportieren oder vor bis zu 1400 Grad heißen Glutnestern Glas herstellen: Diesen Berufsalltag von vor mehreren hundert Jahren kann man heute noch rund um Baiersbronn im Schwarzwald erleben.
HEIßES HANDWERK: DER KÖHLER
Neben der fürs Heizen verwendeten Braun- und Steinkohle verbrauchen die Deutschen jährlich fast 250.000 Tonnen Holzkohle – für ihr liebstes Hobby: das Grillen. Heute wird Holzkohle industriell hergestellt. Bis ins 19. Jahrhundert war das die Aufgabe der sogenannten Köhler. Sie errichteten mitten im Wald, meist mutterseelenallein, einen Kohlemeiler aus Stein, Holz und anderen Materialen des Waldes. Darin verschwelten sie dann Holz zu Kohle. Zwei bis vier Wochen konnte dieser Prozess vom Aufbau bis zum Löschen des Meilers und der Ernte der Holzkohle dauern. Dabei war die ständige Anwesenheit des Köhlers erforderlich – Tag und Nacht. Kein Wunder, dass die Köhler ein einsames Leben führten. Mit der verstärkten Nutzung der billigeren Steinkohle starb der Beruf Anfang des 19. Jahrhunderts des Köhlers langsam aus. Doch nicht ganz. Und nicht überall. Einer der letzten Köhler Deutschlands ist Thomas Faißt aus Baiersbronn. Jedes Jahr baut er dort im Sommer einen Kohlemeiler auf und bringt den Besuchern sein Handwerk näher. Dazu gibt es Märchenabende, Führungen durch den Wald, Theater und Musik.
NASSES HANDWERK: DER FLÖßER
Es steckt in Dachgiebeln, Pelletheizungen, Kleidung aus Viskose und in jedem Karton: Holz. Im Jahr 2022 wurden 78,7 Millionen Kubikmeter Holz aus deutschen Wäldern geerntet. Ein Teil davon wird exportiert, die größten Abnehmer sind China und die USA. Holzexport war schon immer ein gutes Geschäft. Natürlich auch im Schwarzwald, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands. Bis Ende der 1950er-Jahre transportierten sogenannte Flößer tausende Baumstämme über Murg, Enz und Rhein – bis nach Holland. Dabei banden die Flößer Dutzende von Stämmen neben- und hintereinander zu bis zu 600 Meter langen Flößen. Der Buhlbachsee in Baiersbronn war auf ihrem Weg eine wichtige Station für die Flößer. Zuerst künstlich aufgestaut und dann plötzlich wieder abgelassen, gab er den tonnenschweren Flößen den nötigen Schwung für die nächste Etappe ihrer Reise. Durch das häufige Ablassen und Stauen des Sees löste sich der Seeboden vom Untergrund und es entstand eine schwimmende Moorinsel. Wer sich auf die Spuren der Flößer begeben und erfahren möchte, wie sie den Reichtum ins Murgtal brachten, besucht das Museum Haus Kast in Gaggenau-Hörden.
DURCHSICHTIGES HANDWERK: DER GLASMACHER
Mit einem Knall schießt der Korken aus der Champagner-Flasche. Dabei erreicht er eine Geschwindigkeit von bis zu 50 Stundenkilometern – schneller als Rekordsprinter Usain Bolt, der mit 44,72 Stundenkilometern seinen Weltrekord aufstellte. Dem enormen Druck bei der Champagner-Gährung waren frühere Flaschen nicht gewachsen: Die Hälfte aller Flaschen explodierte. Die Lösung für diese dekadente Verschwendung brachte erst der Buhlbacher Schlegel. Diese Form der bruchsicheren Champagnerflasche mit einer Wölbung im Boden wurde von den damaligen Eigentümern der Glashütte erfunden. Sie machten Millionen und konnten fortan in Champagner baden. Der Beruf des Glasmachers hingegen war alles andere als luxuriös, sondern äußerst anstrengend und sogar gefährlich: Vor 1.400 Grad heißer Glut und lodernden Flammen, die aus den Öfen schlugen, verbrachten sie ihren Arbeitsalltag damit, aus Rohglas formschöne Flaschen, Gläser und Dekoration für die gesellschaftliche Elite zu blasen. Wer in den Berufsalltag der Baiersbronner Glasmacher eintauchen möchte, kann die Glashütte in Buhlbach besuchen. Hier stehen heute noch die Reste eines gewaltigen Schmelzofens sowie die letzten beiden historischen Glashüttengebäude im Schwarzwald. Und wer sich selbst einmal als Glasbläser versuchen möchte, kann dies in der Glasbläserei Dorotheenhütte, der letzten aktiven Mundblashütte im Schwarzwald, tun.
Weitere Berufe, die den Schwarzwald bekannt machten:
Der Bergmann
Der Bergbau besaß im Schwarzwald jahrhundertelang eine hohe Bedeutung und hatte seine Blüte vor den bekannten Bergbaurevieren Harz oder Erzgebirge. In der Grube Sophia in Baiersbronn-Friedrichstal wurde sogar Kobalt abgebaut – das war einmalig im Nordschwarzwald. Erst 1995 wurde der Eingang wiederentdeckt und die Grube kann heute bei Führungen besichtigt werden. Auch im Besucherbergwerk Frischglück in Neuenbürg können sich Besucher ein Bild vom Arbeitsalltag in einer Eisenerzgrube des vergangenen Jahrhunderts machen.
Der Kienrußbrenner
Für viele Menschen gehört die gedruckte Zeitung auch heute noch auf den Frühstückstisch. Die Farbe erhält die Druckerschwärze durch Ruß. Bevor diesen Maschinen herstellen konnten, waren die Kienrußbrenner dafür zuständig. Ruß war sehr begehrt, denn er wurde auch für Stiefelschmiere, Anstrichfarbe und Tusche verwendet. Zur Rußgewinnung ließen die Kienrußbrenner in ihren Rußhütten Harzreste und Kienholz schwelen. Dieses Handwerk bringt Besuchern heute die Rußhütte Enzklösterle näher. Sie ist die am besten erhaltene Rußhütte in ganz Deutschland und eingetragenes Kulturdenkmal.
Der Uhrmacher
Uhren aus dem Schwarzwald gab es schon lange, bevor die für die Region typische Kuckucksuhr erfunden wurde, und auch heute noch spielen Uhren hier eine große Rolle. Die Geschichte der Uhrenstadt Schramberg erleben Besucher im Auto- und Uhrenmuseum. Das Zentrum der Deutschen Schmuck- und Uhrenindustrie liegt mit Pforzheim ebenfalls in der Region. Für Besucher interessant: das Technische Museum der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie.
Über Baiersbronn
Die Gemeinde Baiersbronn im Nordschwarzwald ist Baden-Württembergs größte Tourismus-Gemeinde. Sie besteht aus neun Ortsteilen mit 14.500 Einwohnern. Die beiden Marken „Genussraum für die Seele“ und „Wanderhimmel“ bringen die touristischen Schwerpunkte Baiersbronns auf den Punkt: Kulinarik von der regionalen Spezialität bis zur Drei-Sterne-Küche (höchste Sternedichte Deutschlands), ein umfangreiches Aktiv-, Wellness- und Familienangebot sowie ein vorbildliches Wanderwegenetz. Dieses umfasst 550 Kilometer Wanderwege, zum Teil mit thematischem Schwerpunkt, Premium- oder Qualitätsauszeichnung.