Wo Wege Geschichten erzählen

Sieben Themenwege zwischen Flims Laax, Benediktbeuern, Graz und Singapur zeigen, wie Landschaft zum Erzähler wird.

Wo Wege Geschichten erzählen

Themenwege sind mehr als nur ausgeschilderte Pfade. Sie bringen Bewegung in Denkräume, verbinden Landschaft mit Inhalt und zeigen, wie Gehen zum Verstehen wird.


Sie heißen Wasserweg, Fairy Trail oder entpuppen sich als Skulpturenpark. Doch sind Themenwege viel mehr als Namen oder Stationen. Sie machen das Gehen selbst zum Erlebnis. Schritt für Schritt erschließen sich Zusammenhänge, die im Alltag verborgen bleiben. Geschichten entfalten sich im Rhythmus der Bewegung. Landschaft wird zur Erzählung. Themenwege sind stille Erzähler unter freiem Himmel. Sie verbinden Natur mit Wissen und Bewegung mit Sinn. Manche führen zu geologischen Wundern, andere öffnen Türen zu Kultur und Geschichte.
Jeder dieser sieben Themenwege ist ein Pfad voller neuer Perspektiven, von Geologie bis Gesellschaft, von Waldwissen bis Weltgeschichte. Sie alle folgen demselben Prinzip: Wer mehr geht, erlebt mehr.

#1 Trutg dil Flem – Flimser Wasserweg (Flims Laax)

Markante Brückenarchitektur und spannende Geologie: Der Trutg dil Flem folgt dem wilden Lauf des Flem durch alpine Schluchten. © Nicholas Iliano

Über sieben Brücken musst du gehen. Was Peter Maffay singt, wird auf dem Trutg dil Flem zur eindrucksvollen Realität. Dieser Wasserweg verbindet Natur und Technik auf einzigartige Weise in der wilden Landschaft rund um Flims Laax. Der Weg startet auf dem unteren Segnesboden beim tosenden Wasserfall Segnas Sura und führt vorbei an bizarren Felsformationen, die einst der größte Bergsturz der Alpen gezeichnet hat. Die teilweise kühn angelegten Brücken stammen vom berühmten Bündner Brückenbauer Jürg Conzett und machen die Wanderung auch architektonisch zum Erlebnis. Wer diesen Weg geht, folgt dem Wasser, das sich durch Schluchten schlängelt, über Felsen stürzt und entlang von natürlichen Kaskaden plätschert. Das Wandern wird zum Erleben von Geologie, Architektur und alpinem Selbstverständnis. Ein Themenweg, der nichts erklärt, sondern leise und kraftvoll erzählt.
Tipp: Wer es gemütlich mag, folgt dem Trutg dil Flem ins Tal hinab. Ambitionierte Wanderer wagen den Aufstieg in die entgegengesetzte Richtung.

#2 Klostergeschichte zum Erleben: Benediktusweg (Tölzer Land)

Ein Weg der leisen Gedanken: Der Benediktusweg im Tölzer Land verbindet Bewegung mit Besinnung. 
© Dietmar Denger / Tölzer Land Tourismus

Kurz, aber intensiv. Der Benediktusweg im Tölzer Land ist nur 2,5 Kilometer lang und doch eine echte Reise zu sich selbst. Der Rundweg führt um die eindrucksvolle Klosteranlage Benediktbeuern und vorbei an zwölf Stelen, die zentrale Impulse aus der Benediktusregel aufgreifen. Diese reichen von Demut und Gastfreundschaft bis hin zum Schweigen. Jede Station lädt dazu ein, innezuhalten. Die kurzen, prägnanten Texte lenken den Blick auf das eigene Leben, ohne zu belehren. QR-Codes und Audio-Stimmen verbinden die Klostergeschichte mit der Gegenwart – digital und analog zugleich. Mittelalterliche Mauern, die Basilika und der Kräutergarten machen Benedikts Erbe greifbar. Der Weg hält neue Blickwinkel und vielleicht sogar unerwartete Erkenntnisse bereit.
Tipp: Wer nach der Wanderung rund ums Kloster eine Stärkung braucht, kehrt im Klosterbiergarten ein.

#3 Walserpfade und Alpenzauber: Tannbergweg (Warth-Schröcken)

Bürstegg am Tannbergweg: Die einst höchstgelegene Walsersiedlung Vorarlbergs liegt auf 1.500 Metern und erzählt von Leben und Überleben im Hochgebirge. © Michael Meusburger

Blühende Alpenwiesen. Jahrhundertealte Steinhäuser. Der Tannbergweg führt mitten hinein in die Geschichte der Walser, die vor 700 Jahren die Region Tannberg besiedelten und die Dörfer Warth, Schröcken und Lech gründeten. Der Weitwanderweg verbindet die Region rund um Warth-Schröcken über 85 Kilometer hinweg – aber nicht nur geografisch, sondern vor allem geschichtlich. Alte Siedlungen wie Bürstegg, Relikte alter Handelsrouten und liebevoll gestaltete Infotafeln erzählen vom Leben und dem bewegten Miteinander im rauen Hochgebirge. Wer hier wandert, taucht tief ein in den Alltag vergangener Jahrhunderte.
Tipp: Die Etappe von Warth über Bürstegg nach Schröcken eignet sich gut als Tagestour. Sie dauert gut drei Stunden, das Terrain ist moderat und landschaftlich ist sie ein Kapitel für sich.

#4 Kunst im Dialog: Österreichischer Skulpturenpark (Region Graz)

Wo Kunst Wurzeln schlägt: Auf dem Weg durch den Österreichischen Skulpturenpark verschmelzen Skulpturen, Wiesen und Baumriesen Schritt für Schritt zu einem sinnlichen Erlebnis unter freiem Himmel. © Region Graz / Mias Photoart

Kunst auf Schritt und Tritt: In Premstätten, nur wenige Kilometer südlich von Graz, hat sich der Österreichische Skulpturenpark als wanderbares Zentrum für zeitgenössische Kunst etabliert. Der Weg durch den Park führt Besucher vorbei an über 80 Skulpturen internationaler Künstler, Seerosen, Baumriesen und Rasenpyramiden. Franz West, Yoko Ono und Erwin Wurm sind nur einige der Namen, die man hier an den auf einer Fläche von sieben Hektar verteilten Kunstwerken lesen kann. Die Werke stehen im Dialog mit der Natur, dem Licht und den Besuchern. Für die Gestaltung des Parks war der renommierte Schweizer Landschaftsarchitekt und Universitätsprofessor Dieter Alfred Kienast verantwortlich. Laut Guardian gehört die Anlage zu den zehn besten Skulpturenparks Europas.
Tipp: Wer nach dem Kunstgenuss Lust auf Abkühlung und Abwechslung verspürt, muss nicht weit gehen. Zum „Meer der Grazer”, dem Schwarzlsee, sind es nur ein paar Schritte.

#5 Fährtenlesen und Wasserfallmagie: Elfenweg (Gitschberg Jochtal)

Dem Zauber des Waldes auf der Spur: Der Elfenweg verbindet spielerisches Entdecken mit stillen Naturmomenten. Höhepunkt ist ein Wasserfall, der donnernd in die Tiefe stürzt. © Rotwild

Vier Kilometer, elf Stationen, ein Ziel: Der Elfenweg in Gitschberg Jochtal oberhalb von Obervintl möchte Natur begreifbar machen. Statt bloß zu beobachten, taucht man mitten hinein: in einen dichten Wald, begleitet von der Elfe Lili. Die Rundwanderung ist zwar für Familien konzipiert, doch sie ist weit mehr als ein einfacher Kinderpfad. Kleine und große Entdecker lesen Tierspuren, beobachten Hirsche im Gehege und erfahren Spannendes über die fleißigen Bienen im hölzernen Bienenhotel. Der Themenweg vermittelt Naturwissen auf spielerische Weise, ganz ohne künstliche Kulisse oder Kitsch. Ein Höhepunkt ist der 43 Meter hohe Wasserfall, der vom Felsenbalkon am Rand des Wegs gut sichtbar ist.
Tipp: Früh morgens stehen die Chancen besser, Wildtiere zu beobachten. Dann erlebt man auch, wie ruhig und eindrucksvoll der Wald am Morgen sein kann.

#6 Auf den Spuren von Feen und Druiden: Fairy Trails (Irland)

Versteckte Wunderwelten: Im Fairy Garden von Belvedere House erwacht die irische Sagenwelt zwischen Baumstämmen, Moos und Miniaturtüren zum Leben. © Courtesy Westmeath County Council / Tourism Ireland

Ob im flirrenden Licht alter Landschaften oder unter moosbedeckten Bäumen – Irland ist das Land der Feen, Kobolde und uralten Geheimnisse. Lange bevor Menschen die Grüne Insel besiedelten, lebten hier die „Little People“. Ihre Feenstädte und Fairy Trails erstrecken sich über die ganze Insel. Sie sind nie weit entfernt. Auch wenn die Little People im Untergrund und zwischen den Bäumen verborgen bleiben, öffnen sie an ausgewählten Orten Tore zu ihrer Welt. Wer auf ihren Pfaden unterwegs ist, entdeckt winzige Türen an Baumstämmen, kunstvoll versteckte Häuschen und verspielte Hinweisschilder. Es sind Kraftorte voller Magie.
Tipp: Der Woodford Fairy Trail in Galway lässt mit seinen uralten Eichen und geheimnisvollen Pfaden die irische Folklore lebendig werden. Ein Erlebnis für Familien, Naturfans und Skeptiker gleichermaßen.

#7 Grüne Lunge mit Wildtierflair: MacRitchie Naturlehrpfad & Reservoir Park (Singapur)

Dschungel in Downtown: Hoch über dem Boden, zwischen Baumwipfeln und Tierstimmen, offenbart der TreeTop Walk im MacRitchie Reservoir das grüne Herz von Singapur. © Singapore Tourism Board

Regenwald statt Skyline, Baumwipfel statt Wolkenkratzer: Wer Singapur nur als glitzernde Großstadt kennt, wird im MacRitchie Naturlehrpfad & Reservoir Park, einem der ältesten Erholungsgebiete der Stadt, überrascht. Hier führen schmale Pfade durch dichtes Grün, in dem sich Warane, Flughörnchen und Languren bewegen. Ein echtes Highlight für Naturfans ist der rund elf Kilometer lange Rundweg mit Abstecher zum TreeTop Walk, einer 250 Meter langen freischwebenden Hängebrücke zwischen den Baumkronen.
Tipp: Früh losgehen – dann ist der Dschungel am eindrucksvollsten: Nebel hängt in der Luft, das Wasser des Stausees schimmert tiefgrün und in den Bäumen raschelt mehr Leben, als man in einer Millionenstadt erwarten würde.

KONTAKT